Konsensualität und Pro Sieben

5 07 2009

Mademoiselle Nocturne regt sich zurecht über die neuesten Casting-Abgründe auf, die sich mit Mission Hollywood und Sommermädchen 2009 im deutschen Fernsehen auftun. Während ich ihre Meinung bezüglich der Qualität dieser Schundsendungen teile, bin ich beim Lesen doch auf eine Idee gekommen.

Beginnen wir mit einem kleinen Zitat.

Genau so, als öffentliche Demütigung empfinde ich dieses Format. Es befriedigt einen Chauvinismus, der in unserer Gesellschaft, im Fernsehen nichts mehr zu suchen hat! Im Rahmen einer SM-Situation, wenn eine Person sich nach Demütigung und Erniedrigung sehnt, hat diese eine Berechtigung. Aber die Kandidatinnen sind auf derlei Gefühle bestimmt nicht aus.

Nun kann man eigentlich zur Ehrenrettung von Pro Sieben und RTL folgendes anführen:

Dies ist nicht die erste Casting-Show im deutschen Fernsehen. Die Teilnehmerinnen können also wissen, wie groß ihre Chancen sind, ein Star zu werden, und auch, dass sie möglicherweise vor der Kamera bloßgestellt werden.

Außerdem werden die Teilnehmer sicher vorher gebrieft, was man von ihnen erwartet; letzten Endes können sie – auch, wenn es kein Safewort gibt wie beispielsweise im Dschungelcamp – jederzeit aufhören und sagen: »Es reicht, ich küsse hier niemanden mehr.«

Ist das kein Einverständnis? Konsensualität? Vielleicht suchen die Kandidatinnen genau diesen Thrill, sich zu zeigen, aus sich herauszugehen, zu posieren und sich beinahe zu prostituieren und auf dem Grad zwischen Erfolg und Demütigung zu wandeln.

Letzten Endes würde ich aufgrund meiner laienpsychologischen Kenntnisse eher sagen, dass die Kandidatinnen davon ausgehen, eben gerade nicht diejenigen zu sein, die sich lächerlich machen, eben gerade jene Ausnahme zu sein, die den Sprung zum Star schaffen kann. Sie haben wahrscheinlich auch ein bestärkendes Umfeld, und der enorme Druck, vor der Jury und dem Fernsehpublikum und diesem Umfeld und sich selbst zu bestehen führt auch dazu, dass eine Kandidatin sich höchstwahrscheinlich nicht weigern wird, sich bloßzustellen, sei es über Striptease als Filmzitat, Grillen im Bikini oder auch eine laszive Choreographie, die nach St. Pauli gehört. Es ist auch fraglich, ob die meist jungen Kandidatinnen wirklich überschauen können, was sie sich da aufbürden, und sich nicht vielleicht bei ihrer Rückkehr ins normale Leben erstaunt umgucken.

Und trotzdem ist ein Vertrag unterschrieben, haben sich die Mädchen freiwillig gemeldet.

Das zeigt eigentlich auch eine Gefahr bei BDSM auf, denn selbst mit Berücksichtigung von Konsensualität und unter Einbeziehung eines Safewortes ist keinesfalls gesichert, dass da dem Spielpartner, der -partnerin oder auch den -partnern völlig klar ist, worauf sie sich einlassen, oder dass sie die Möglichkeit des Safeworts eben nutzen, wenn es an der Zeit ist, genutzt zu werden.

Im BDSM hat man das erkannt. Die Idee von der Verantwortung des Tops ist allgemein verbreitet, und manche Gegner von Safeworten führen sogar genau den Druck an, es eben nicht zu nennen, wenn sie sich dagegen aussprechen. Top hat in einer gegebenen Szene hat eben auch die Verantwortung, neben der vorab erteilten Einwilligung zu überprüfen, ob Bottom überfordert wird.

Im (deutschen) Fernsehen gibt es diese Idee nicht. Der Sender, die Produzenten haben keine Verantwortung, sie weisen sie sogar gerne von sich: wenn sie niemand melden würde, wenn niemand zusähe, dann gäbe es das ja nicht. Sie sind nur die Diener der Quote.

Aber wer hat sich diese Shows ausgedacht, oder diese Sendung, wo grenzwertig asozialen Jugendlichen Kinder ausgehändigt werden, weil die ja noch nicht genug Probleme haben? Weder die Kandidat_innen noch das Publikum. Trotzdem werden die Kandidatinnen der oben genannten Sendungen durch den Fleischwolf gedreht, ihre Körper werden zur Schau gestellt und dann werden ihre Hoffnungen zerstört und man lässt sie allein zurück mit der Gewissheit, im Fernsehen einen Orgasmus nachgemacht zu haben, weil Til Schweiger und Heiner Lauterbach dabei einer abgeht.

Man stelle sich vor, auf einer BDSM-Party kommt es zu einem Absturz, und Top behauptet nachher, wenn Bottom schon das Safewort nicht nutze, hätte das Publikum ja weggehen können. Top selbst aber träfe keine Schuld, er oder sie habe halt nur am Andreaskreuz gestanden und gewartet, ob jemand kommt. Das würde wohl zur Ächtung führen.

Für RTL und Pro Sieben ist das ganz normal.


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11 07 2009
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